»Geduld, Geduld, Geduld!« war seine Antwort. – »Ah, nicht schlecht – aber gar nicht so einfach, oder?« – Das kannst Du laut sagen, Tang!« Tja, Geduld – für Joys eher ungeduldiges Temperament sicher kein schlechter Ratschlag, aber was kann er als Kind wirklich damit anfangen? Naja mit »Sex, Drugs and Rock n Roll« hätte ich ihm sicher auch keine kindgerechte Antwort gegeben, und auf die Folgefrage was das denn bedeute, wollte ich auch keinen null-acht-fünfzehn-Kommentar abgeben. Rockmusik gehört aber in unserer musikfreudigen Familie wie auch Jazz und Klassik durchaus zum Alltag.

Sex and Drugs and Rock n Roll

Ob das nun aber gerade der passende Gegenspieler zu Geduld ist? Mal sehn. Den gleichnamigen Titel trug jedenfalls Ian Durys Rock n Roll-Hymne aus dem Jahr 1977. Diese drei Worte stehen auch für ein Cliché, das man bis heute gerne auf Rock- und Popstars anwendet. In meinen Augen beschreiben sie unbewusst einen immerwährenden Fluchtversuch vieler dieser Künstler – stellvertretend für eine ganze Generation – aus dem Gefängnis der Gedankenwelt mit all ihren Verstrickungen und Problemen. Wenn Sex and Drugs and Rock n Roll eins gemeinsam haben, dann ist es der Kick hinein in den Augenblick, ins Jetzt. Bei Drogen bin ich mir da allerdings nicht so sicher. Wie auch immer, Kicks sind jedenfalls eher kurzlebig und führen oft zu Suchtverhalten.

Das Ausleben im Moment – ob auf der Bühne oder beim Sex – lässt uns fühlen, wie es ist, wenn sich unser Potential im jetzigen Moment entfaltet.

Dass dieses augenblickliche Erlebnis auf vielfältige und auch auch andere Weise möglich ist, darüber habe ich beispielsweise in meinen Artikeln zur Kreativität einiges geschrieben. Erfahrungen mit Drugs – außer Espresso und Schoki – habe ich selbst keine. Daher kann ich mir da kein Urteil erlauben, ob die mich nun ins Jetzt schießen, oder eher die Birne zumatschen und in irgendwelche Filme im Kopfkino verwickeln. Mein körpereigener Hormoncocktail reicht mir aber völlig. Jedenfalls gehört Geduld sicher eher weniger in die Rock n Roll Welt, und somit beschreibt der Titel dieses Artikels schon ein treffenden Gegensatz. Na, dann will ich mal der Geduld ein bisschen auf die Pelle rücken.

Geduld ist das beste Mittel gegen Ärger

Zu meinem Artikel: Von Papa-Sklaven und Kinderflüsterern hat Karin in ihrem Kommentar bemerkt: »Geduld ist das beste Mittel gegen Ärger.« Schon wieder dieses Wort. Hab ja selbst schon des öfteren gehört: »Tang, du bist aber ziemlich geduldig!« Naja, in Bezug auf meine Kids stimmt das wohl auch, aber mit mir selbst bin ich da immer wieder am Üben. Oder sollte ich das lieber lassen?

Klavier üben mochte ich ja auch nie – Klavier spielen um so mehr! Kann ich vielleicht Geduld spielen? Und damit meine ich jetzt nicht Mikado oder so was ähnliches. 

Geduld ist die Tugend der Glücklichen

Ich hab da noch mehr Sachen gegoogelt: »Geduld ist die Tugend der Glücklichen.« – Baruch Benedictus de Spinoza (1632-77), niederl. Philosoph, und bei Wikipedia steht: »Das Wort Geduld (auch altertümlich: Langmut) bezeichnet die Fähigkeit zu warten. Oft gilt Geduld als eine Tugend; ihr Gegenteil ist die Ungeduld. Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen. Diese Fähigkeit ist eng mit der Fähigkeit zur Hoffnung verbunden. Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten und Leiden mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt.«

Abwarten und Tee trinken

Jetzt ist mir klar, warum ich das Wort »Geduld« im Grunde nicht mag. Es gehört zur Familie: »Ausharren, Duldsamkeit, Abwarten und Tee trinken.« Nichts gegen Relaxen und in die Sauna gehen – davon könnt ich nie genug kriegen. Aber das ist ja hier nicht gemeint. Die ungestillten Sehnsüchte und unerfüllten Wünsche sind das Problem. »Keine Zeit – kein Problem« hat Eckhart Tolle so schön gesagt. Geduld im Sinne von Abwarten deutet immer in die Zukunft – auf ein künftiges Ereignis, das herbeigesehnt wird. Es bleibt die Erwartung oder Vorstellung, wie es dann endlich sein wird, wenn wir nur geduldig sind. Sag das mal einem Kind, das gerade jetzt und sofort was will. Sofort ist ein Riesenzirkus da! Das ist nicht Kinderwelt – die Kids kennen nur jetzt und gleich. Und im Grunde sind wir in dieser Hinsicht alle noch Kinder. Wir Erwachsenen haben uns nur einen Trick zugelegt:

Was wir nicht gleich haben können, verschieben wir gern in unsere Vorstellungen. Wir legen das Ei in den Kopf und warten auf das große Schlüpfen – und das nennen wir dann Geduld.

Vergessen oder Kontrolle

Manchmal vergessen wir unsere Wünsche einfach, weil wir zu beschäftigt sind oder weil sie uns nicht so wichtig sind. Gerade die gehen dann lustigerweise meist in Erfüllung. In so einem Fall war ich aber dann nicht geduldig und hab brav auf den Weihnachtsmann gewartet, sondern hab es schlichtweg verdödelt. Geduld im herkömmlichen Sinn bedeutet auch, sich immer wiederkehrend in Gedanken mit dem Erwarteten zu beschäftigen – um sich dann wieder in Geduld zu üben. Es kommt mir fast vor, als ob ich damit den Luftballon mit dem Wunschzettel immer wieder an der Leine zurückziehe, um den Zettel noch mal zu kontrollieren. So fliegt der nie los, und irgendwann geht ihm in meinem eigenen Händen die Luft aus.

Geduld spielen – Geduldsspiele

Es wäre vielleicht ne Idee, das Leben mit all seinen Wünschen, Zielen, Erwartungen und Vorstellungen als Geduldsspiel aufzufassen. Je nachdem wie ernst ich das Spiel nehme, bin ich dann bei Versagen, Misslingen oder Verlieren entweder geknickt und verärgert oder humorvoll gelassen. Während eines Geduldspiels ist man ja meistens hochkonzentriert – z.B. beim Kartenhausbauen oder Mikado. Das Ärgern oder Freuen kommt erst hinterher. So gesehen bin ich da gar nicht geduldig im Sinne von abwartend, sondern mit voller Hingabe und Konzentration im Augenblick. Das gefällt mir! Übertragen auf den Alltag hieße das: Voller Hingabe die täglichen Aufgaben spielen oder spülen – ja der Abwasch gehört auch dazu -, und schon kann das Ärgermonster in seiner Höhle bleiben.

Ungeduldige Kinder

Zurück zum Umgang mit ungeduldigen Kindern. Es ist für mich immer wieder verblüffend, wie schnell der Augenblick den Ärger killt. Gelingt es, die Aufmerksamkeit der Kids auf Dinge zu richten, die jetzt möglich sind, dann verebbt der Wunsch ganz schnell – meistens jedenfalls. Dabei sind viele dieser Wunschsachen oft nur Ersatz für die persönlich Zuwendung.

Mit zunehmendem Alter allerdings ereilt auch unsere Kinder die Zeitkrankheit und damit die Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft.

In dieser Welt tauchen dann all die sogenannten Probleme auf, die ich bereits genannt habe: Erwartungen, Vorstellungen etc. – alles zeitgenerierte Probleme! Zugleich formt sich aber auch ihre Fähigkeit, sich selbst und andere aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Und damit auch der Blick auf all unsere Emotionen, die sich in diesem Bühnenstück, das wir Leben nennen austoben.

Gedulds-Fazit

Ob das, was wir »Geduld« nennen nun wirklich eine Tugend ist, die wir anstreben sollten, weiß ich nicht. Aber lustigerweise nennen wir meist die Menschen geduldig, denen das völlig egal ist und die das Geheimnis eines erfüllten und zufriedenen Lebens für sich entdeckt haben.

Foto: Magyar Vizsla © jschwarz | fotolia.com

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